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Sonntag, 10. November 2013



Dienstag, 15. Oktober 2013


Montag, 28. Oktober 2013 um 14:07:54 von Kulturpool Redaktion

Österreichisch-Türkische Freundschaft

Anlass
75.Todestag von Mustafa Kemal Atatürk

Dass ein „Ausländer“, nämlich der österreichische Bildhauer Heinrich Krippel, die ersten wichtigsten Nationaldenkmäler der Türkischen Republik schuf, mag aus heutiger Perspektive manchem verblüffend erscheinen. Nicht nur angesichts der nationalen Re-Islamisierung unter Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan; auch hierzulande würde die Vorstellung, dass etwa ein Leopold Figl-Denkmal von Ayşe Erkmen, Mehmet Aksoy oder einem anderen türkischen Künstler gestaltet werden könnte, wohl Befremden auslösen (und das nicht nur unter den Parteifreunden des ersten demokratisch legitimierten Österreichischen Bundeskanzlers seit 1934).

Siegesdeskmal für Atatürk Das Denkmal wurde vom Wiener Bildhauer Heinrich Krippel (vierter von rechts) entworfen und vom Kunstgießermeister Schwab angefertigt. (Foto: Lothar Rübelt, ÖNB)

Ganz anders in den 1920er- und 1930er-Jahren, als nationale Staatsgründungen noch primär republikanisch geprägt waren und nicht völkisch. So konnte der Wiener Heinrich Krippel (1883-1945) zum wohl bedeutendsten Atatürk-Denkmalmacher innerhalb und außerhalb der Türkei werden.

1925 gewann der bis dahin kaum bekannte Bildhauer bei einem internationalen Wettbewerb den Auftrag für die Denkmäler Mustafa Kemal Atatürks in Istanbul und Ankara. Das Zafer Anıtı (Siegerdenkmal) in Ankara war der umfangreichste Auftrag den Krippel in der Türkei umsetzen konnte. In den Wettbewerbsbedingungen wurden die Befreiungskriege als Leitthema des Denkmals ausführlich beschrieben, historische Daten und Ereignisse genannt und die zentrale Figur des Begründers der modernen Republik Türkei als Persönlichkeit vorgestellt. Krippel entwarf darauf aufbauend ein komplexes Figurenensemble, in dessen Mitte der Kriegsführer Mustafa Kemal über hohem Marmorsockel zu Pferde thront.

Siegesdenkmal für Atatürk in Ankara heute (links) und Kopf des Denkmals in der Gießerei Schwab in Wien (rechts)

Das Denkmal am Ulus-Platz, dem zentralen Knotenpunkt Ankaras errichtet, war lange Zeit das nationale Symbol der neuen Türkei, das auf Postkarten, Zeitschriften, Reiseführern und Plakaten Verbreitung im ganzen Land fand. Auch die anderen Denkmäler, die Krippel für Istanbul, Ankara, Konya und Samsun schuf, prägten über Jahrzehnte und bis in die Gegenwart die Identität dieser türkischen Städte und wurden Bestandteil des nationalen Zeichenrepertoires der Türkischen Republik.

Krippel war damit nicht nur auf politischer Ebene ein Pionier der öffentlichen, staatlichen Kunst in der Türkei, sondern hatte auch erheblichen Einfluss auf die Denkmalkultur der neuen Republik. Mit seinem Sarayburnu-Standbild in Istanbul begründete Krippel zudem auch den neuen Denkmaltypus „Atatürk als Zivilist“, den er später mit seiner Atatürk-Plastik für die von Martin Elsässer entworfenen Sümerbank in Ankara weiterverfolgte. Die Darstellungsweise des Republiksgründers als Privatier führte anfänglich zwar zu Diskussionen, die jedoch die Einschreibung dieses Visualisierungsmusters in die türkische Denkmalkultur nicht verhindern konnten. Dabei handelt es sich um jenes Erscheinungsbild, mit dem Atatürk sich am häufigsten in der Öffentlichkeit präsentierte: das des weltmännischen Politikers, der sich äußerlich in nichts von den politischen Repräsentanten westlicher Demokratien unterschied.

Sitzender Atatürk von Heinrich Krippel in der Sümerbank in Ankara (links) und auf dem Sarayburnu in Istanbul (rechts)

Bis 1938 wurden in vielen türkischen Städten in großen Zeremonien Nationaldenkmäler des österreichischen Künstlers eingeweiht. Dreizehn Jahre lang reiste Krippel regelmäßig von Wien in die Türkei. Seine Werke fertigte er in seinem Wiener Atelier und ließ sie in den Vereinigten Metallwerken in Wien gießen. Während seiner Aufenthalte in der Türkei wurde der österreichische Bildhauer auch in der Villa Atatürks beherbergt; dieser saß ihm für seine Denkmäler, darunter auch die aus bossiertem Stein geschaffene Plastik in der Sümerbank, Modell. Sie zeigt den Staatsgründer hoch über der zentralen Halle auf einem thronartigen Sessel. Atatürk hat die Arme auf die Lehnen gestützt und sitzt mit abgewinkeltem Bein. Sein Blick richtet sich nach rechts in die Ferne. Die unter dem Denkmal eingearbeitete Inschrift „inaniyoruz ve yapiyoruz“ („wir glauben und handeln“) verweist wohl auf die Wirtschaftspolitik der kemalistischen Führung, die sich zum Ziel gesetzt hatte, die Türkei durch staatliche Interventionen und ein avanciertes Entwicklungsprogramm zu modernisieren und an die westlichen Standards heranzuführen.