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Plakatkämpfe

Anlass
Anlass: Nationalratswahl 29.September 2013

Wahlplakate, wohin das Auge blickt. Zwar ist Österreich auch abseits von Wahlkämpfen ein großes Plakatland (mit neun Plakatstellen pro 1.000 Einwohnern liegt es im internationalen Vergleich weit vor Deutschland oder der Schweiz. Der europäische Durchschnitt liegt bei fünf bis sechs Plakatflächen pro 1.000 Einwohner); in den Monaten vor Nationalratswahlen erscheint das Land aber als eine einzig große Anschlagtafel.

Plakat-Online-Satire dank Photoshop: Mehr als je zuvor wird dieses Jahr der Wahlkampf ins Netz verlegt.

Dank Facebook & Co. sind Wahlplakate nun nicht mehr bloß im realen öffentlichen Raum ständig präsent, sondern auch im virtuellen. Auf Fanseiten der werbenden Parteien sowie auf diversen Online-Satiremagazinen oder eigens eingerichteten Profilen toben sich - Photoshop sei Dank - Social-Media-User aus, wenn es darum geht, die Werbekampagnen der Parteien für die Nationalratswahl im Herbst lächerlich zu machen.

"Österreich gehört den Spaßvögeln" - mit dieser "Weiterentwicklung" der aktuellen Kampagne der ÖVP trifft es der "Verein der Freunde der Tagespolitik" auf den Punkt: Mehr als je zuvor wird dieses Jahr der Wahlkampf ins Netz verlegt. Und genau in diesem Ausmaß sind heuer deshalb auch die "Spaßvögel" unterwegs - Initiativen wie Raketa, "Werner Failmann" oder die "Gebrüder Moped" greifen Slogans, Plakate und Hoppalas genüsslich auf. Mit paradoxen Folgen, denn mit dieser Erweiterung der Plakatfläche ins Netz gewinnt das Wahlplakat wieder eine Bedeutung, die es in den letzten Jahrzehnten schon verloren zu haben schien.

"Inflationsgefahr", "Schwarzer Rentenraub", "Rote Gefahr", "Gegen Proporz"
- Vertraute Symbole, Kürzel und Kampfparolen (Nationalratswahl 1953)

Dabei haben Wahlplakate eine lange Geschichte. Als zeitgeschichtliche Quelle sind sie ein verlässliches und verdichtetes Spiegelbild der politischen Ereignisse. Sie berichten vom Informationsbedürfnis ihrer Zeit und repräsentieren wichtige Stationen in der Geschichte eines Landes. Sie erinnern an die Höhen und Tiefen der Parteien, an die bedeutendsten Persönlichkeiten sowie die wichtigsten politischen und programmatischen Positionen und geben somit auch Aufschluss die politische Kultur(geschichte) eines Landes.

Wenn heute auch nur ein geringer Anteil der WählerInnen angibt, dass Wahlplakate ihre Wahlentscheidung manifest beeinflussen, so bestimmen sie über den Faktor Image die Entscheidungen auf einer sublimeren, unbewussteren Ebene immer noch deutlich mit. Dies macht das Wahlplakat auch heute noch - trotz vieler anderer Medien - zu einem wesentlichen Wahlkampfmittel, auf das keine Partei verzichten kann – bedeutet der Verzicht auf Wahlplakate doch auch ein Nichtvorhandensein, eine fehlende Präsenz im Stadtbild bzw. die Überlassung des öffentlichen Raumes an die politischen MitbewerberInnen.

Auch die Spekulation auf antisemitische und ausländerfeindliche Ressentiments gehört seit je zum Wahlkampf in Österreich: Als "echter Österreicher" trat Josef Klaus 1970 gegen Bruno Kreisky und dessen jüdische Herkunft an; 2013 schließt H.C.Straches Nächstenliebe alle aus, die keine "echten Österreicher" sind

Zwar gab es schon im 19. Jahrhundert Vorläufer für öffentlich achiffierte politisch motivierte Kundmachungen, Wahlkämpfe wurden aber noch nicht über Bildstrategien im öffentlichen Raum ausgetragen, sondern eher mit textorientierten Medien wie Zeitung und Flugblatt. Die Nutzung des Plakates für explizite politische Propaganda via Bilder begann erst im Ersten Weltkrieg, wo Plakate voll in den „Dienst des Vaterlandes“ gestellt wurden.

Die dabei achiffierte visuelle Aggression fand Anfang 1919 bei den ersten freien Wahlen nach Kriegsende ihre Fortsetzung im Wahlkampf. Mit über 250 Plakaten stritten an die 20 Parteien um die Wählergunst. Ganz Wien war eine einzige Plakatausstellung.

Wahlkampfslogens genießen keinen Urheberrechtsschutz: 1953 reklamierte die SPÖ Österreich für die Österreicher; 2008 setzte das BZÖ auf dieselbe Parole.

In den 1920er Jahren tauchten neben dem bis dahin vorherrschenden grafischen Plakat auch erstmals Fotoplakate auf. Und die Werbepsychologie spielte eine immer wichtigere Rolle. Um ein gutes Plakat zu kreieren, mussten verschiedene Kriterien erfüllt werden: rasche Lesbarkeit, dynamische-diagonale Komposition und expressive Linienführung waren die Zauberwörter der damaligen Werbebranche. Auch einige Stereotypen und zeitgenössische Symbole wurden auf Plakaten genutzt.

Mit der Nazizeit verschwanden mit den Wahlen auch die Wahlplakate. Erst mit Kriegsende 1945, als Zeitungswesen und Rundfunk in den zerstörten Städten nicht mehr existierten, erlangte der Schriftanschlag dank einfacher technischer Handhabung wieder eine besondere Stellung im öffentlichen Leben. Dabei offenbarten sich zunächst erstaunliche Kontinuitäten zur politischen Vergangenheit und zum Kampfvokabular der Zwischenkriegszeit. Bis in die 1960er Jahre wurden die Plakate graphisch gestaltet. August Schmidt hatte für die Vaterländische Front Plakate mit Dollfuß-Porträts geschaffen, nach 1945 porträtierte er die Politiker der ÖVP, der Nachfolgepartei der Christlichsozialen, etwa Bundeskanzler Julius Raab.

Die FPÖ hat die Wahlkampfdichtung nicht erfunden: Auch ÖVP und SPÖ setzten immer wieder mal auf den Reim.

Und bis heute kommen mitunter auf Wahlplakaten die vertrauten Symbole als Kürzel in den politischen Botschaften zum Einsatz, akzentuiert durch die Parteienfarben: Die „rote Gefahr“, der „schwarze Rentenklau“, der „übermächtige Kapitalist“ und seit 1955 der „Kampf gegen den Proporz“, dem sich die „blaue“ FPÖ, dann die „Grünen“ und diverse „organge“ und „pinke“ Kleinparteien verschrieben haben.

Ein weiteres zentrales Thema, das die Wahlkämpfe seit 1945 prägt, ist der ewige Streit um den besseren, glaubwürdigeren „Österreichbezug“. Während die ÖVP bereits bei den ersten Wahlen 1945 sowohl auf bildlicher als auch auf textlicher Ebene stark auf das Österreich-Thema setzte, taucht der Österreichbezug bei der SPÖ erst allmählich (ab den späten 1950er Jahren) auf ihren Wahlplakaten auf. Auch die (ehemals) kleineren Parteien porträtieren sich gerne als Österreich bezogene, Österreich verpflichtete, im Dienste Österreichs oder der Österreicher stehende Parteien. Dabei spekulierte die ÖVP unter Bundeskanzler Josef Klaus in Hinblick auf den Herausforderer Bruno Kreisky auch auf tief sitzende antisemitische Reflexe bei den Wählern. Aber es war die FPÖ, die beginnend mit Jörg Haider ihren Österreichbezug bis heute implizit als Kampfslogan gegen Ausländer und Migranten verstanden wissen will.

Immer wieder Österreich: Van der Bellen (2002), Kreisky (1979), Schüssel (2006)

Nur die Grünen haben das Österreich-Thema lange nicht zum Gegenstand ihrer Wahlkämpfe gemacht. Erst 2002 hieß es auf einem Plakat erstmals: "Österreich braucht jetzt die Grünen“. Und das gilt wohl bis heute, wenn auch vielleicht nur, weil sie „weniger belämmt sind“. Und weil die Selbstironie Balsam auf den Seelen jener ist, die in den aktuellen Plakatkämpfen nur mehr Realsatire sehen.