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Wie der Hund in die Kuche kam

Anlass
Eröffnung der Grillsaison

Nein, hier geht es nicht um Küchenklassiker aus Guangzhou, Hanoi oder aus dem Appenzell. Obwohl dies auch eine Geschichte wert wäre. Es geht hier nicht um Hunde, die in den Topf oder auf den Grill kommen. Es geht um Hunde, die uns beim Grillen helfen. Präzisier: uns geholfen haben. Um Küchenhunde. Eine Spezies, die es nicht mehr gibt, weil wir sie nicht mehr brauchen. Weil wir jetzt Strom und Gas haben. Also genau genommen geht es also gar nicht um Hunde, sondern um Technik. Um Grilltechnik. Und nur ganz am Rande um Hunde.

Im Grunde ist die Grilltechnik - das gehört zur Allgemeinbildung ab Hauptschulabschluss - die älteste Technik des Menschen. Der britische Bioanthropologe Richard Wrangham, Ordinarius an der Harvard University, vertritt sogar die These, dass uns einst erst die Beherrschung der Grilltechnik zum Menschen gemacht hat.

Die Zubereitung von Nahrungsmitteln an offenem Feuer begleitete uns dann Jahrtausende lang und war bis ins 19.Jahrhundert die einzige Methode Rohes in Gares zu verwandeln. In ländlichen Gebieten waren Küchen mit offenen Feuerstellen sogar bis in die Mitte des 20.Jahrhunderts in Verwendung. Nicht nur um Töpfe zu erhitzen, sondern um Spieße zu drehen, an denen Hühner, kleine Schweinchen und Hunde für den menschlichen Verzehr vorbereitete wurden. Im Appenzell machen sie das ab und zu noch heute mit den Hunden. Die Schweizer Gesetzgebung lässt das - anders als die in Österreich und Deutschland - zu. Nur Kinder grillen, das geht heute in Europa nicht mehr. War aber, wenn wir der Kunstgeschichte glauben können, auch mal üblich. Ob aus exorzistischen oder kulinarischen Motiven, das lässt sich nicht mehr so genau feststellen.

Frau brät aufgespießtes Kind (ca.1470). Buchmalerei aus der Sammlung des Instituts für Realienkunde, Wien

Aber zurück zu legalen Praxen in der Geschichte der Speisenerwärmung: Was nach der Erfindung von Backöfen und geschlossenen Herden dann lange Zeit nur noch die Kochtechnik der Armen war, ist mit der nach dem 2.Weltkrieg aus den USA nach Europa geschwappten Barbecue-Welle zum beliebten - vornehmlich männlichen - Hobby geworden, und heute auch in der „guten Gesellschaft“ voll angesagt: Grillen. Am besten gleich mit integrierter Party.

In den Garagen der Vorstadtvillen parken heute nicht bloß die Bayrischen und die Porsches, sondern mindestens auch ein Weber, ein Napoleon oder ein Barbecook. Wer heute grillt setzt auf Hightech und hantiert mit Statussymbolen, die den simplen Gitterrost auf glühender Holzkohle in die Peripherie der Schrebergärten und Migrantenhinterhöfe verdrängten.

Das lässt uns leicht vergessen, dass raffinierte technische Konstruktionen schon seit der Renaissance den Grillalltag erleichtert haben. Und Grillmaschinen schon damals Statussymbole waren. Nicht nur Leonardo da Vinci konstruierte einen mechanischen Bratenwender, um Köchen und Gehilfen das stundenlange Spießdrehen zu ersparen. Die Herstellung von Grillmaschinen, die das Spießdrehen automatisch machten, war lange Zeit die Basis lukrativer Geschäftsmodelle von Turmuhrbauern bzw. Turmuhrschmieden. Auf den ersten Blick verwunderlich, auf den zweiten naheliegend: Weil das Konstruktionsprinzip des Bratenwenderräderwerkes weitgehend dem der Schlagwerke von Turmuhren gleicht - und Grillmaschinen deutlich öfter gebraucht wurden als Uhren auf Türmen. So war es auch nur konsequent, wenn Turmuhrmacher in Nürnberg im 16. Jahrhundert keine Turmuhr, sondern einen Bratenwender in ihrem Zunftwappen trugen.

Historische Drehspieße mit Handbetrieb (links) und ein mit Abluft betriebener Bratenwender (rechts)

Zwar fanden die mechanischen Grillgeräte zunächst nur in den Großküchen des Adels Verwendung, bald aber wurden sie auch in bürgerlichen Haushalten zu Statussymbolen. Und wie heute die verschiedenen Modelle der Webers, Napoleons und Barbecooks entweder mit Kohle, Gas oder Strom betrieben werden können, so konnten auch die Bratenwender aus der Zeit der Renaissance bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts auf verschiedene Arten angetrieben werden. Und so kam auch der Hund ins Spiel bzw. in die Küche. Nicht um das Ei zu stehlen, sondern um seinen Galeerenjob anzutreten, als Turnspit Dog, zu Deutsch: Drehspieß-Hund.

Die englische Erfindung erweiterte die Bratenwendertechnologie. Neben dem „Gewichtsbrater“, der wie bei den frühen Räderuhren durch ein Gewicht mit Seil und Seilrolle das Räderwerk des mechanischen Spießes antrieb, neben dem „Rauchbrater“, der den Spieß über ein durch die Hitze der aufsteigenden Luft bewegtes Windrad im Rauchabzug drehte, gab es auch Bratenwender mit Wasserradantrieb und - seit Anfang des 19.Jahrhunderts - den Bratenwender mit Dampfantrieb, der bald in den Großküchen in ganz Europa Verwendung fand.

Braten mit Hund: Mechanischer Drehspieß mit Turnspit Dog im Dog Wheel

In England aber setzte man bis dahin auf den Einsatz von Hunden, die den Bratenwender mit Hilfe eines Laufrads in Gang hielten. Dafür wurde eigens eine „besonders geeignete“ Hunderasse mit kurzen Beinen gezüchtet, der sogenannte Turnspit Dog. Größere Haushalte, in denen täglich Spießbraten zubereitet wurde, hatten mehrere dieser Hunde, die abwechselnd tageweise zum Einsatz kamen. Heute ist diese, einst von Charles Darwin als Beispiel für seine Vererbungslehre herangezogene Rasse ausgestorben, da sie nach dem Aufkommen moderner Drehspieße nicht mehr gebraucht und daher nicht mehr gezüchtet wurde.

So ist der Hund wieder aus der Küche verschwunden. Außer in Guangzhou, Hanoi, Appenzell und ein paar anderen komischen Weltgegenden.