Glaube und Martyrium
![]() | Anlass Ausstellung „Leiblichkeit und Sexualität“ in der Votivkirche Wien |
Eine auf den ersten Blick provokant konservativ wirkende Bronzeskulptur von Damien Hirst (geb. 1965) aus dem Jahr 2006 ist eines der Highlights der Ausstellung „Leiblichkeit und Sexualität“ in der Wiener Votivkirche. Sie zeigt den Apostel Bartholomäus, der der Legende nach bei lebendigem Leib gehäutet und danach kopfunter gekreuzigt wurde. Hirsts tonnenschwere Skulptur reiht sich nahtlos ein in die lange Geschichte der Darstellung des Bartholomäus, die sich für Künstler immer schon besonders gut dafür eignete, den Körperaufbau gleich einer anatomischen Studie freizulegen. Die Figur ist daher genauso eine Schlüsselfigur in der Beziehung zwischen Wissenschaft und Kunst wie in der Beziehung zwischen Religion und Körper.
Damien Hirst’s "Saint Bartholomew, Exquisite Pain" (2006) in the Sensory garden (Photographed by Stephen White © Damien Hirst and Science Ltd.)
Albrecht Dürer: "Marter der zehntausend Christen" (1508; Foto: Kunsthistorisches Museum, Wien).
Überhaupt waren Märtyrer-Darstellungen bis ins 17.Jahrhundert eines der beliebtesten Motive sakraler, insbesondere christlicher Kunst. Allein in österreichischen Museen und Sammlungen finden sich mehr als tausend Gemälde, Zeichnungen, Stiche und Skulpturen, die die - oft drastisch dargestellten - Qualen von Menschen zum Gegenstand haben, die um des Bekenntnisses ihres Glaubens willen Folter und einen gewaltsamen Tod erleiden mussten.
Das Martyrium gilt im Christentum als das erhabenste Zeugnis, das man für die Wahrheit des Glaubens ablegen kann. Nach der auf Ignatius von Antiochien zurückgehenden Theologie des Martyriums entsprechen Leiden und der Tod des Märtyrers dem Leiden und dem Tod Christi. Durch den Tod wird der Märtyrer zum Jünger Jesu, er erwirbt im Tod mit Jesus Christus die Vollendung und Auferstehung. Der Märtyrertod wurde auch als Bluttaufe bezeichnet; sie sollte die Taufe, wenn diese noch nicht stattgefunden hatte, ersetzen und sofort zur Seligkeit führen.
Links: Michelangelo Buonarroti: Selbstporträt als Hl. Bartolomäus - Detail aus "Das jüngste Gericht" (Sixtinische Kapelle, Vatikan, 1537-1541). Rechts: Andrea Boscoli: "Marter des Hl. Bartholomäus" (Gemäldesammlung Kunsthistorisches Museum Wien, um 1587)
Links: "Radmartyrium des Hl. Felix, der Hl. Regula und des Hl. Exuperantius" (Anonym, 1485-1495). Rechts: "Entdärmung des Hl. Erasmus" (Anonym, 1490-1500)
Die darin enthaltenen drastischen Schilderungen dienten auch Malern und Bildhauern als Vorbild für unzählige Martyriumsdarstellungen: „Anderntags“, so heißt es etwa über das Martyrium der Heiligen Margareta, „ließ er (der Stadtpräfekt; Anm.Red) sie öffentlich foltern; er ließ sie aufhängen, grausam mit Ruten schlagen, mit eisernen Kämmen das Fleisch bis auf die Gebeine abzerren, sodass das Blut wie aus einem klaren Quell von ihr floss.“ Wie es sich für eine gute Märtyrergeschichte ziemt, enden die Qualen aber auch bei der vom Präfekten ob ihrer Schönheit begehrten Margareta in einem Wunder, das Gottes Macht bezeugen soll: „Am nächsten Tag versammelte sich das Volk und Margarete wurde vor den Richter geführt. Man zog sie nackt aus und verbrannte sie mit brennenden Fackeln. Danach setzte man sie in ein Fass mit Wasser und fesselte sie. Plötzlich bebte die Erde und die Jungfrau stieg unversehrt aus dem Fass“.
„Faßmartyrium der Hl. Margareta“ (Anonym, 1515-1520)