Staatspreis fuer Uni-Ferkel
![]() | Anlass Oskar Kokoschka-Preis für Peter Weibel |
„Schwerste Folgen wird der Hörsaalexzess vom vergangenen Freitag für die studentischen Sex-Kommunisten haben“, schrieb anno 1968 die Österreichische Boulevarzeitung „Express“ (die später mit der „Kronen Zeitung“ fusionierte) über die Veranstaltung von Wiener Aktionisten unter dem Titel „Kunst und Revolution“: „Wiens Polizeipräsident Josef Holaubek hat das Kommissariat Innere Stadt persönlich beauftragt: ,Forscht sie aus, vernehmt sie und bestraft sie ...‘“
Einer der Teilnehmer an der Aktion vom 7.Juni 1968 an der Universität Wien, die in die Österreichische Historie als „Uni-Ferkelei“ eingehen sollte, war Peter Weibel (geb. 1944). Mit einem brennenden Handschuh „bewaffnet“ hielt er eine als Vortrag ausgewiesene Schimpftirade gegen die damalige Regierung (namentlich gegen Finanzminister Stephan Koren) mit dem auf die berühmte Lenin-Schrift angelehnten Titel „Was tun?“. Weibel und seine Mitstreiter karnevalisierten auf diese Weise das sich seriös gebende Polittheater der Realpolitik und gaben mit den Stützen auch die ehrenwerte Gesellschaft der Lächerlichkeit preis.
„Die Polizei ist hinter ihnen her!“ (Bericht im „Express“ über die Aktion „Kunst und Revolution“, 1968) und "Peter Weibel Polizei lügt“, 1977 (Aus der Serie „Anschläge“, Courtesy of Phoenix Kulturstiftung/Sammlung Falckenberg)
Neben performativen Aktionen beschäftigte sich Weibel schon früh intensiv mit den künstlerischen Möglichkeiten von Film, Video, Tonband und anderen elektronischen Medien. Ausgehend von semiotischen und linguistischen Überlegungen (Austin, Jakobson, Peirce, Wittgenstein u. a.) entwickelte er eine künstlerische Sprache, die ihn ab 1964 von der experimentellen Literatur zur Performance führt. In seinen performativen Aktionen untersucht er nicht nur die "Medien" Sprache und Körper, sondern auch Film, Video, Tonband und interaktive elektronische Umgebungen. Kritisch analysiert er ihre Funktion für die Konstruktion von Wirklichkeit. Neben Aktionen mit Vertretern der Wiener Gruppe und des Wiener Aktionismus – dem er den Namen gab – (Oswald Wiener, Günter Brus, Otto Muehl, Hermann Nitsch, Rudolf Schwarzkogler), arbeitet er ab 1966 (zusammen mit Valie Export, Ernst Schmidt jr. und Hans Scheugl) an einem "erweiterten Kino", das die ideologischen und technischen Bedingungen filmischer Darstellung dekonstruierte.
„Time as Code: Chronokratie“ von Peter Weibel, 1988 (Zu sehen ist die Komputeranimation auf der Website des Ars Electronica Archivs: http://archive.aec.at/#21075)
Die Aktion „Kunst und Revolution“ an der Universität Wien, 7.Juni 1968 (Foto: Siegfried Klein)
45 Jahre nach der „Uni-Ferkelei“ (so die „Kronen-Zeitung“ anno 1968 über die Aktion „Kunst und Revolution“) muss ihn die Polizei nicht mehr ausforschen, die Justiz ihn nicht bestrafen, aber die Republik ihn ehren. Der Österreichische Kunstminister verleiht Peter Weibel für sein künstlerisches Gesamtwerk heute zu Recht den von der Bundesregierung gestifteten Oskar Kokoschka-Preis. Die passende Schlagzeile in den heimischen Boulevardblättern dazu könnte aber noch heute so lauten: „Staatspreis für Uni-Ferkel“.