Der Meister der Reportage
![]() | Anlass Erich Lessings fotografisches Lebenswerk in der Nationalbibliothek |
Die Bilder, die Erich Lessing 1956 während des Ungarischen Volksaufstandes machte, gingen um die Welt. Lessing dokumentierte die Kämpfe gegen die kommunistische Diktatur und die sowjetischen Besatzungstruppen, die auf ungarischer Seite etwa 2500 Tote forderten (die sowjetischen Truppen verloren nach eigener Darstellung 720 Mann) und zirka 200.000 Ungarn zur Flucht ins westliche Ausland zwangen, und legte damit einen Grundstein für seine große Karriere als Meister der Reportage und der inszenierten Dokumentation.
Heute gilt Lessing als einer der bedeutendsten Fotografen der Nachkriegszeit. Mit seinem Fotoapparat hat er Weltgeschichte und -geschichten festgehalten: Meilensteine der Zeitgeschichte ebenso wie Szenen aus dem Alltagsleben der Nachkriegszeit. Als hellwacher Zeitzeuge hat er nicht nur die Stimmung in den osteuropäischen Ländern in der Morgendämmerung des kalten Krieges festgehalten, sondern auch die großen Gipfelkonferenzen der Nachkriegszeit begleitet, aus denen die Europäische Union hervorgegangen ist. Seine Bilder wurden in wichtigen internationalen Magazinen wie z.B. Paris Match, Life, Picture Post, EPOCA, Quick veröffentlicht.
Bald war Erich Lessing so bekannt, dass Politiker wie Konrad Adenauer, Dwight D. Eisenhower, Nikita Chruschtschow oder Charles de Gaulle sowie bedeutende Künstler wie Herbert von Karajan sich von ihm porträtieren ließen. Entstanden sind viele Bilder, die sich tief in das kollektive Bildgedächtnis eingeschrieben haben. Begehrt war Lessing aber auch als Set-Fotograf bekannter Kinofilme, unter anderem für „ The Sound of Music“, „Alexis Sorbas“ und John Houstons „Moby Dick“.
60.000 Bilder aus seinem fotografischen Lebenswerk schenkte Erich Lessing kurz vor seinem 90.Geburtstag am 13.Juli der Wiener Nationalbibliothek, die damit eines der bedeutendsten privaten Fotoarchive des Landes besitzt. Lessings Schenkung umfasst etwa 20.000 Schwarzweiß-Negative aus der Zeit von 1950 bis 1970, darunter Szene aus der Zeitgeschichte ebenso wie Porträtserien, sowie rund 40.000 großformatige Farbdias zu Themen der europäischen Kulturgeschichte, die Lessing seit Mitte der 1950er Jahre angefertigt hat.