Maschenhaftes Maennchenmeer
![]() | Anlass Ausstellung „Nacht über Österreich“ in der Österreichischen Nationalbibliothek |
verwogener stirnscheitelunterschwang /
nach nöten nördlich, kechelte /
mit zu-nummernder aufs bluten feilzer stimme /
hinsensend sämmertliche eigenwäscher.
Ernst Jandl bei einer Lesung
Unmittelbar nach „stimmstummels“ Heldenplatz-Rede begannen landesweit Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung Österreichs. Jüdinnen und Juden wurden öffentlich beschimpft, Geschäfte mit dem Davidstern bemalt, es kam zu Plünderungen, Beschädigungen und Raub von jüdischem Eigentum.
pirsch! /
döppelte der gottelbock von Sa-Atz zu Sa-Atz /
mit hünig sprenkem stimmstummel. /
balzerig würmelte es im männechensee /
und den weibern ward so pfingstig ums heil /
zumahn: wenn ein knie-ender sie hirschelte.
Wer konnte, wagte die Flucht. Flucht bedeutete aber nicht nur Rettung, sie bedeute auch Verlust: von Eigentum, Beruf, Heimat und von geliebten Menschen. Durch Flucht, Vertreibung und Ermordung Tausender vor allem jüdischer Bürgerinnen und Bürger erlitt Österreich einen kulturellen Rückschlag, von dem es sich nie wieder ganz erholen konnte.
Thomas Bernhard bei einer Aufführung von "Heldenplatz" im Wiener Burgtheater
Erst mehr als 20 Jahre danach ist die Thematik von einem weiteren großen österreichischen Literaten wieder aufgegriffen worden, in Thomas Bernhards Drama Heldenplatz, dessen Uraufführung 1988 im Burgtheater zu einem der größten Theaterskandale der Republik Österreich wurde. Und es sollte weitere 25 Jahre dauern bis das (inoffizielle) österreichische Staatsorchester, die Wiener Philharmoniker, sich dieser Thematik anhand der eigenen Verstrickungen in die nationalsozialistischen Säuberungen stellen, die nun unter der Leitung von Oliver Rathkolb wissenschaftlich aufgearbeitet und auf der Website des Orchesters dokumentiert wird.
-> Ausstellung „Nacht über Österreich. Der Anschluss 1938 - Flucht und Vertreibung in der Nationalbibliothek (bis 28.4.2013) http://www.onb.ac.at/ausstellungen/nacht/index.htm
-> Dokumentation „Die Wiener Philharmoniker in der NS-Zeit“ http://www.wienerphilharmoniker.at/index.php?set_language=de&cccpage=history_ns