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Copyright Albtraum

Anlass
Diskussion der EU-Richtlinie über die digitale Veröffentlichung "verwaister Werke"

Sogenannte "verwaiste Werke" wie Bücher, Fotos, Filme und Tonaufnahmen mit unbekanntem Rechteinhaber sollen künftig der Öffentlichkeit im Internet zugänglich sein. Vertreter des Europaparlaments, der EU-Staaten und der EU-Kommission haben eine entsprechende Einigung geschlossen, wonach Werke von öffentlichen Institutionen wie Bibliotheken und Museen digitalisiert und online gestellt werden dürfen. Rechtsausschuss und Plenum des Parlaments sowie der Ministerrat müssen die Einigung noch absegnen. Was von der Kommission als großer Wurf betrachtet und von Lobbyisten der Medien- und Unterhaltungsindustrie weiter massiv bekämpft wird, ist für die österreichische EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger (Grüne) nichts weiter als eine verpasste Chance, „die in den Archiven verschollene Filme, Fotografie und Literatur seit der Zwischenkriegszeit des vergangenen Jahrhunderts wieder der Allgemeinheit zugänglich zu machen." Denn der vergangene Woche geschlossene Kompromiss enthalte - so Lichtenberger in eine Anfrage von ORF.at - so viele Einschränkungen, dass es mehr als fraglich sei, ob die Richtlinie auch in der Praxis dazu führen wird, Verlorenes - durch Digitalisierung und Veröffentlichungen (auch im Internet) - wieder zugänglich und für Interessierte weiter nutzbar zu machen.

Albtraum eines Dokumentarfilmers. Ein fiktives, aber anschauliches Beispiel (c) Erich Moechel:

Ein Dokumentarfilmer arbeitet an einem Film über Attila Hörbiger. Bei seinen Recherchen stößt er auf ein interessantes 8-mm-Filmdokument, das authentischen Einblicke in Alltag und Lebensumstände des großen österreichischen Schauspielers gibt. Es handelt sich um Aufnahmen einer unbekannten Privatperson, die Anfang der 1960er Jahre ein Fest mit Freunden und Bekannten gefilmt und zu einer zehnminütigen Sequenz zusammengeschnitten hat. Neben dem längst verstorbenen Hörbiger sind in dieser Film auch ein paar unbekannte Künstler zu sehen, im Hintergrund spielt jemand am Piano, der aber nie ins Bild kommt. Mehrmals fällt diese Runde bei den Lied-Refrains mit ein, dann macht sich jemand über einen inzwischen in Vergessenheit geratenen Heimatdichter lustig, indem er ein Gedicht desselben mit russischem Akzent rezitiert. Eine Sequenz zeigt im Hintergrund auch einen Schwarzweißfernseher, auf dem 30 Sekunden lang Karl Valentin zu sehen ist. Wollte der Dokumentarfilmer diese Sequenz für seinen aus öffentlichen Mitteln finanzierten Film verwenden, dann müssten (weil deren Urheber unbekannt ist) nach geltendem Recht alle unbekannten Personen ebenso identifiziert und um Einverständnis gefragt werden, wie die Komponisten der gesungenen Lieder. Nicht zu vergessen der Heimatdichter und die Nachlassverwalter von Karl Valentin. Der Copyright-Albtraum wäre damit perfekt. Die Filmsequenz würde nicht verwendet und das einmalige Dokument nie das Licht der Öffentlichkeit erreichen.


Die EU-Richtlinie sollte vor allem den Weg für die Digitalisierung des umfangreichen Bild- und Tonmaterials frei machen, das bislang unzugänglich in filmhistorischen und anderen akademischen Instituten, Privatarchiven, Sammlungen und Bibliotheken lagert. Einen sehr großen Anteil davon machen dabei insbesondere die Archive der öffentlich-rechtlichen Sender quer durch Europa aus, deren Bestände aufgrund des herrschenden Copyright-Regimes auch nach Verstreichen eines halben Jahrhunderts und mehr derzeit nicht veröffentlicht werden können. Und das, obwohl die Mehrheit Werke längst aus den Vermarktungszyklen gefallen sind und deren Lebenszeit - da auf analogen Material gespeichert - langsam abläuft.

Die Richtlinie sollte ermöglichen, Werke, deren Urheber nach einer „sorgfältigen Suche“ nicht aufzufinden sind, wieder zu publizieren. Die Gegner der Richtlinie verlangen dagegen, dass private Rechteverwerter sogar dann an einer solchen (digitalen) Wiederveröffentlichung beteiligt werden müssen, wenn sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie in irgendeinem Vertragsverhältnis zu den verschollenen Urhebern gestanden waren. Zudem läuft die nun - auf Druck der Lobbyisten - im Entwurf enthaltene Definition „verwaister Werke“ in der Praxis darauf hinaus, dass sie in der Regel doch nicht veröffentlicht werden können:

"Ein Werk oder Phonogramm wird dann als 'verwaistes Werk' betrachtet werden, wenn alle Rechteinhaber des Werks oder Phonogramms nicht identifiziert oder trotz sorgfältiger Suche nicht aufgefunden werden können" (Artikel 2, Absatz 1). Der Knackpunkt dabei ist das Wort "alle", denn in der Praxis sieht das - wie es Erich Moechel in einem Kommentar auf FM4@ORF.at anschaulich beschreibt - so aus: „Um in einer TV-Dokumentation verwaiste historische Bild- und Tonaufnahmen verwenden zu können, müssen nicht nur Herstellerfirma oder Regisseur ,sorgfältig‘ gesucht werden, sondern auch alle anderen daran Beteiligten. Im Fall, dass weder Auftraggeber, Produzent oder Regisseur gefunden werden können, muss nach jedem einzelnen Darsteller gesucht werden. Falls auch Musik zu hören ist, zusätzlich nach dem Komponisten und den Vortragskünstlern.“

Praktische bedeutet das, dass wohl kaum jemand eine derart aufwändige Suche nach unzähligen, meist Unbekannten veranstalten wird, wenn das Werk für den Massenmarkt nicht tauglich ist. Damit würden alle Werke, die nur für ein kleines Publikum interessant sind, weiter unzugänglich bleiben. Nicht ist nicht sicher, ob der "Kompromiss" zu den "verwaisten Werken" bei diesem Wortlaut bleibt. Der Richtlinienentwurf muss in den kommenden Tagen noch einmal durch die damit befassten Ausschüsse und dann im Juli 2012 vom Plenum der EU-Parlaments abgesegnet werden.